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Bericht zum Besuch vom Izabela Tiberiade

Am 24.08.22 fand im Peter-Weiss-Haus, organisiert vom Lichtenhagen Archiv und dem Roma Center eine wichtige Veranstaltung statt. Zum ersten Mal hörten wir in Rostock Stimmen von ehemaligen Bewohner:innen der ZASt. 30 Jahre nach dem Pogrom.

Es sprach dort Izabela Tiberiade. Sie führte in diesem Jahr im südrumänischen Craiova Interviews mit Zeug:innen der gadje-rassistischen Gewalt in Lichtenhagen, unter anderem mit ihrem Vater und ihrer Mutter. Videos von drei der Interviews waren Teil der Veranstaltung.

„Rostock stand in Flammen“,

so beschrieb eine Interviewpartnerin den rechten Terror am Sonnenblumenhaus. Mit den Erzählungen der Menschen aus Craiova können wir endlich – nach 30 Jahren! – eine schmerzhafte Lücke in der Erinnerung an das Pogrom schließen,

„dem Geheimnis [was in Lichtenhagen geschah] auf die Spur kommen“

Die Erinnerung daran, wie sich die Bewohner:innen der ZASt verteidigten und retteten.

Der Weg nach Deutschland stellte für viele Rom:nja aus Rumänien eine Perspektive dar, um der nationalistischen Stimmung in Rumänien nach der Revolution gegen die Ceaușescu- Diktatur zu entkommen. Die Suche nach einem Leben in Würde und mit Menschenrechten veranlasste sie, in Deutschland Asyl zu beantragen. Nach dem Pogrom stand die Suche nach einem sicheren Ort und in den meisten Fällen weitere rassistische Angriffe in anderen Unterkünften. Viele verließen Deutschland wieder und bauten sich unter schwierigen Bedingungen ihr Leben in Rumänien auf.

In Rostock heißt es bisweilen, die Geflüchteten aus der ZASt hätten sich nicht organisiert, wie sollte man mit ihnen sprechen oder sie erreichen? Das Gespräch mit Izabela Tiberiade machte deutlich, dass diese Frage hauptsächlich das fehlende Interesse der deutschen Gesellschaft offenbart: Denn die betroffenen Rom:nja organisierten sich – nur eben nicht in Rostock und Deutschland, wo sie durch Rassist:innen und rassistische Gesetze weggejagt wurden. Sie organisierten sich im Alltag: In solidarischen Gemeinschaften, zurück in Rumänien. In ihren Familien, um ihren Kindern Bildung und Lebenschancen zu erkämpfen. In Interessensvertretungen für die Belange der Rom:nja in Rumänien und Europa. Politisch für ein würdevolles Leben und gesellschaftlichen Wandel. Im gesellschaftlichen Diskurs für ein neues Narrativ über Rom:nja in Europa.