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Zusammenarbeit auf Augenhöhe statt teurer PR-Besuche!

Gedenkbündnis kritisiert Alleingang der Universitäts- und Hansestadt Rostock anlässlich des Lichtenhagen-Gedenkens

Das Bündnis „Gedenken an das Pogrom. Lichtenhagen 1992“ sieht die aktuelle Vorgehensweise der Hansestadt hinsichtlich einer Einladung an den Bundespräsidenten anlässlich des Gedenkens an das Pogrom kritisch. Es fordert, zivilgesellschaftliche Perspektiven in den Fokus zu stellen und politische Konsequenzen aus dem Gedenken an das Pogrom zu ziehen.

„Im Gedenken der Stadt steht politisches Protokoll ganz weit oben. Wir kritisieren, dass nicht ernsthaft die politischen Auswirkungen des Pogroms angegangen werden“

Imam-Jonas Dogesch

erklärt Imam-Jonas Dogesch, Sprecher des Bündnisses.

„Hätte uns die Stadt vorher gefragt, hätten wir gesagt: Im Fokus stehen die Betroffenen. Auftritte der Bundespolitik haben die Tendenz, den Fokus vom Inhalt auf die Form zu lenken. Wir brauchen aber eine tatsächliche antirassistische Auseinandersetzung. Wir erwarten sowohl von der Hansestadt als auch von der Landes- und Bundespolitik, sich dazu zu äußern und konkrete Handlungsschritte vorzulegen.“

Imam-Jonas Dogesch

Die Hansestadt verschickte in den vergangenen Wochen Einladungen für eine Gedenkveranstaltung mit dem Bundespräsidenten am 25. August im Rostocker Rathaus an handverlesene Vertreter:innen von Rostocker Vereinen. Anfang des Jahres hatte das Bündnis von der Stadt eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gefordert (www.gedenken-lichtenhagen.de/positionen). Das Bündnis bewertet das Interesse des Bundespräsidenten an einer Auseinandersetzung mit dem Thema grundsätzlich positiv, fordert aber auch nachdrücklich effektives politisches Handeln.

„Es geht uns darum, dass politische Akteur:innen etwas an den real existierenden Verhältnissen ändern. Hier sind die Parteien auf allen politischen Ebenen gefragt“

Imam-Jonas Dogesch

so Dogesch weiter.

„Das Motto unserer Demo ist: Erinnern heißt verändern. Es gibt in unserem Land noch vieles zu tun, um Rassismus zu bekämpfen, auch Dinge, die sofort umgesetzt werden können. Doch dafür braucht es den politischen Willen.“

Imam-Jonas Dogesch

Das Bündnis fordert unter anderem:

  • Mit Blick auf die Kommunalpolitik: Den Neudierkower Weg (Rostock-Toitenwinkel) in Mehmet-Turgut-Weg umbenennen! Die Familie von Mehmet Turgut, der 2004 in Rostock vom NSU-Kerntrio erschossen wurde, fordert dies seit etwa zehn Jahren. Die Rechtsterrorist:innen des NSU wurden durch die Straflosigkeit für rechte Gewalt in den 90er Jahren politisch geprägt. Ihr Unterstützungsnetzwerk in MV ist bis heute weder aufgedeckt noch zerschlagen.
  • Mit Blick auf die Landespolitik: Asylsuchende dezentral unterbringen und Aufnahmestelle für Geflüchtete in Nostorf-Horst schließen! Die Pflicht in Sammellagern zu leben, ist eines der rassistischen Gesetze, die mit dem sogenannten „Asylkompromiss“ 1993 eingeführt wurden. CDU/CSU, FDP und SPD hatten dies unter anderem mit dem Pogrom in Lichtenhagen begründet. Die Aufnahmestelle Nostorf-Horst wurde kurz nach dem Pogrom unter restriktiven Vorgaben eingerichtet. Bis heute werden in der sogenannten „ankerähnlichen Einrichtung“ Asylsuchende bis zu zwei Jahren untergebracht. Seit 1993 hat keine Bundesregierung diese Gesetze in ihrer Grundstruktur angegriffen. Im Gegenteil: Die große Koalition setzt in den vergangenen Jahren zahlreiche Verschärfungen durch.
  • Mit Blick auf die Bundespolitik: Einen Abschiebestopp für Rom:nja, sowie Bleiberecht für asylsuchende Rom:nja und für Betroffene rassistischer Gewalt! Das Pogrom in Lichtenhagen wurde flankiert von einer rassistischen und antiziganistischen Debatte rund um das Thema Asyl und Einwanderung. Die Betroffenen aus der ZASt wurden auch aus der gesellschaftlichen Mitte heraus stigmatisiert und größtenteils kurz nach dem Pogrom abgeschoben. Die betroffenen ehemaligen Vertragsarbeiter:innen aus Vietnam kämpften noch viele Jahre für ein Bleiberecht. Bis heute gibt es keine Bleiberechtsregelung für Betroffene von rassistischer Gewalt.

Das Bündnis „Gedenken an das Pogrom. Lichtenhagen 1992“ ist ein Zusammenschluss von etwa 20 Gruppen aus Rostock und Umgebung. Es bündelt anlässlich des 30. Gedenkens an das Pogrom die Veranstaltungen von Rostocker Organisationen (www.gedenken-lichtenhagen.de/veranstaltungen).

Am 27. August organisiert das Bündnis die bundesweite Demonstration „Erinnern heißt verändern“ in Rostock-Lichtenhagen. Am 21. August finden zudem Kundgebungen vor dem Schweriner Innenministerium und der Erstaufnahmeeinrichtung Nostorf-Horst statt.

Alle Forderungen des Bündnisses finden Sie unter www.gedenken-lichtenhagen.de/demo