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In Gedenken an Grigore Velcu und Eudache Calderar

Vor dreißig Jahren, am 29. Juni 1992, wurden Grigore Velcu und Eudache Calderar in Nadrensee beim Grenzübertritt von Jägern erschossen. Beide kamen aus Rumänien, Grigore Velcu aus Alba Iulia, Eudache Calderar aus Craiova. Bis heute sind ihre Tode Verdachtsfälle tödlicher rechter Gewalt.

„Die beiden Opfer hatten gerade mit einer Gruppe von Landsleuten die Oder überquert und schlichen sich im Halbdunkel durch ein Gerstenfeld, als der Schuss fiel. Die Familie von Grigore Velcu hielt sich zu dieser Zeit in dem Flüchtlingsheim Gelbensande bei Rostock auf. Velcu war wegen mehrerer Papiere nach Rumänien gefahren. Grund war auch, dass seine Mutter in Rostock verstorben war und er ihre sterblichen Überreste nach Rumänien überführen lassen wollte, nachdem ihr Grab in Rostock mehrfach geschändet worden war. Er fuhr heimlich nach Rumänien, da er als Asylbewerber den Landkreis nicht hätte verlassen dürfen. Die Familie von Eudache Calderar – so war geplant – sollte später nachgeholt werden, nachdem Calderar sich Arbeit gesucht hätte.“ (Wikipedia, Stand: 20. Mai 2022)

Anlässlich des 30. Todestages von Grigore Velcu und Eudache Calderar haben Pro Bleiberecht MV und die iL Rostock in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung im Liwu die Dokumentation „Revision“ gezeigt. Anschließend fand ein Gespräch mit Kenan Emini vom Roma Center statt.

Die Protagonist:innen von Revision flohen Anfang der 1990er Jahre aus Rumänien nach Deutschland und kamen so nach Mecklenburg-Vorpommern.  Hier wurden sie isoliert in Lagern untergebracht und waren der ständigen Bedrohung durch rassistische Gewalt ausgesetzt. Ihre Erzählungen verweisen auf die Verbindung von rechter Gewalt und diskriminierender Asylpolitik seit den 1990er Jahren bis heute. Das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen 1992, dass einige der Protagonist:innen in Rostock miterlebten, ist nur ein Beispiel für den Zusammenhang von menschenunwürdiger Sammelunterbringung, rassistischer Straßengewalt und institutionellem Rassismus.

Im Nachgespräch stellte Kenan Emini Verbindungen her zwischen den Asylgesetzverschärfungen der 1990er Jahre und der Situation nach Deutschland migrierter Roma in der Gegenwart. Die Kettenduldungen und Abschiebungen trotz des jahrzehntelangen Lebens in Deutschland gehen teilweise direkt auf die damaligen Gesetzesänderungen zurück. Dass geflüchtete Rom*nja oft besonders krass von rassistischer Marginalisierung betroffen sind, zeigt sich aktuell an der Situation von romane Geflüchteten aus der Ukraine. Gegen diesen institutionellen Rassismus kämpfen Rom*nja seid Jahrzehnten mit Demonstration, Gedenkstättenbesetzungen und Hungerstreiks.

Unter den Geflüchteten, welche im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen angegriffen wurden, waren auch viele Rom*nja aus Rumänien. Ermöglicht durch zahlreiche Asylgesetzverschärfungen wurden vermutlich viele von ihnen in den Monaten nach dem Pogrom abgeschoben, andere verließen Deutschland, um der Abschiebung zu entgehen. Gegen diese Abschiebungen protestierten im Oktober 1992 Aktivist:innen der Rom und Cinti Union aus Hamburg zusammen jüdischen Aktivist:innen aus Frankreich. Gemeinsam brachten sie eine Gedenktafel am Rostocker Rathaus an, welche an das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen erinnerte und eine Verbindung zum Porajmos, dem Genozid an Sinti*zze und Rom*nja im Nationalsozialismus herstellte.

Bis heute sind die Perspektiven und Erzählungen der betroffenen Geflüchteten eine der größten Leerstellen in der Aufarbeitung des Pogroms. Kenan Emini berichtete im Nachgespräch auch von den aktuellen Bemühungen des Roma Center, Kontakte zu Zeitzeug:innen in Rumänien herzustellen.